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Pferd eindecken – ja oder nein?

Thermoregulation bei Pferden in den kalten Jahreszeiten

Nach diesem phantastischen Sommer 2015 haben wir nun Herbst, die Tage werden kürzer, die Nächte kälter – der Winter ist nicht mehr fern.

Es stellt sich Jahr für Jahr immer wieder die Frage: Pferd eindecken, ja oder nein?

Auch ich habe mir diese Frage gestellt und war anfangs sehr verunsichert, was das Richtige ist.
Veneroso habe ich seit Juli 2013 in Offenstallhaltung.
Als unser erster gemeinsamer Winter kam und Veneroso noch immer sehr dünn war, hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, ihn einzudecken.
Ich habe etliche Diskussionen geführt mit den verschiedensten Personen und mich auch im Internet versucht schlau zu machen.
2013 habe ich mich gegen das Eindecken entschieden. Der Winter war sehr mild und es war ok so. Auch 2014 startete der Winter so spät, dass Veneroso genug Winterfell geschoben hatte.

Im Herbst 2015 hat sich die Situation komplett geändert:

  • Veneroso ist seit Ende September in einem neuen Stall, einem Aktivstall mit großer Herde, in der er erst seine Position behaupten muss
  • Mitte Oktober kam es zu einem riesigen Temperatursturz und es regnete und windete stark
  • Veneroso hat erst wenig Winterfell geschoben und auch gewichtsmäßig nicht zugelegt. Er bringt 480 Kilo auf die Waage, dasselbe Gewicht wie im Frühjahr des Jahres, nach dem letzten Winter

Nasses, unterkühltes Pferd

Am vergangenen Wochenende hat es unaufhörlich geregnet, bei Temperaturen um die 2 Grad in der Nacht.
Am Sonntag hatte ich Unterricht bei Esther Maurer und wir holten gemeinsam Veneroso von der Koppel. Er stand fast als einziger außerhalb des überdachten Strohbereichs, sicherlich ließen ihn die anderen Pferde noch nicht in ihre kuschelige Mitte, da er ja der letzte Neuzugang war.
Er war bis auf die Haut patschnass, eiskalt und sah jämmerlich aus. Rücken weggedrückt, eingefallen und dünn. Entsprechend lange brauchte ich, um Veneroso einigermaßen warm zu reiten, sein Rücken war nach 30 Minuten immer noch eiskalt.
Im Anschluss an die Reitstunde deckte ich Veneroso mit einer Regendecke ein, die ich glücklicherweise hatte. Einige Stunden später holte ich ihn erneut aus der Herde, da wir an einem Kirchweihritt teilnehmen wollten. Er war ein komplett anderes Pferd, sah pummelig aus, war warm und trocken und wirkte sehr zufrieden.
Die Geschichte über meine Entscheidungsfindung geht noch weiter:
Da es abends aufgehört hatte zu regnen entließ ich Veneroso ohne Decke in seine Herde zurück. Ich war verunsichert, da es sich ja lediglich um eine Regendecke handelte, ohne Fleece. Ich fragte mich, was wohl passiere, wenn es Montag und Dienstag wieder wärmer werden würde und er unter der Decke schwitzen würde? Plastiktüteneffekt, Decke nicht atmungsaktiv – oh je! Und ich musste am Montag für zwei Tage zu einer Tagung und könnte ihn nicht abdecken.
Dienstagabend fuhr ich direkt von der Autobahn zum Stall, um nach Veneroso zu sehen und ihn ein wenig zu longieren. Mein Schreck war groß: er bewegte sich wie ein altes Pferd, total steif und verspannt, den Schweif klemmte er ein. Das bemerkten auch andere Reiter in der Halle und wunderten sich darüber, dass ein so junges Pferd so schwunglos und spannig läuft. Also nach der Arbeit Regendecke wieder drauf!

Zufriedenes, trockenes Pferd

Und dann das Aha-Erlebnis am Mittwoch: Veneroso hat sich offensichtlich mit Vergnügen und mit seiner Decke abgelegt und gewälzt – er war total eingeschlammt! Wie sehr ich mich freute und es wurde mir jetzt erst bewusst, dass er sich in den Tagen davor nie hingelegt hatte, da er immer total sauber war, wenn ich ihn aus der Herde holte.
Veneroso war wieder ganz der Alte und die folgende Stunde in der Halle hat sehr viel Spaß gemacht, da Veneroso total locker und zufrieden mitarbeitete. Mittlerweile habe ich eine Regendecke, die atmungsaktiv sein soll und mit Fleece unterfüttert ist.

Aus dem Nein zum Eindecken wurde nun ein JA

Meine Entscheidung steht: bei kühlem, regnerischen und windigem Wetter wird Veneroso eingedeckt! Deutlicher konnte er mir nicht zeigen, was gut für ihn ist! Und ich wäre doch verrückt, wenn ich nicht auf ihn hören würde, oder?
Nun hoffe ich, dass es nicht dauerhaft regnet, damit Venroso wieder ohne Decke sein Leben in dem Aktivstall genießen kann. Ich habe nicht vor, ihn nun ständig eingedeckt zu lassen – mal sehen, wie das Wetter sich in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt.

Fazit

Ich bin nach wie vor dafür, mein Pferd so natürlich wie möglich zu halten, ihn nicht zu ‘vermenschlichen’ und grundsätzlich eher gegen das Eindecken.
Doch Veneroso hat mir deutlich gezeigt, dass für ihn bei nasskaltem, regnerischem Wetter die gesündere Lösung ist, mit einer leichten Regendecke eingedeckt zu werden.
Ich musste und durfte lernen, dass es immer wieder eine individuelle Entscheidung ist, ob ich mein Pferd eindecke oder nicht.
Nicht alle Pferde sind gleich und mein Andalusier wurde ja in einer der heißesten Gegenden Europas geboren und trotzt Wind und Wetter nicht so wie zum Beispiel ein Isländer.

Veneroso hält Siesta
Veneroso hält Siesta

 

 

Thermoregulation bei Pferden in den kalten Jahreszeiten

Wie der Thermoregulationsprozeß  im Pferdekörper funktioniert erklärt dieser Beitrag von Vet-TCM.
Der Artikel stützt sich hierbei auf vorwiegend amerikanische und englische Untersuchungen. Er ist der momentan einzige fundierte Beitrag zum Thema Thermoregulation beim Pferd in deutscher Sprache.
Auszug:
Damit Säugetiere bei extremen Temperaturen überleben können, müssen sie die Kerntemperatur ihres Körpers sehr konstant halten – ohne viel Spielraum für Abweichungen. Denn wenn die Kerntemperatur über- bzw. unterschritten wird, werden chemische Reaktionen auf der zellulären Ebene empfindlich gestört und können nicht reibungslos ablaufen – oder aber sie werden ganz eingestellt. Fluktuationen außerhalb der normalen Körperkerntemperatur resultieren in gesundheitlichen Problemen bis hin zum Tod des Tieres. Erwachsene Pferde haben eine Körpertemperatur um die 38° Celsius. Fohlen hingegen, trächtige und laktierende Stuten haben einen höheren Normwert (Hines, 2004).

Wichtiges Körperfett

Der Anteil an Körperfett des Pferdes spielt eine wichtige Rolle bei der Thermoregulation.
Aufgrund seiner geringen Wärmeleitungsfähigkeit und der geringen Blutversorgung ist Körperfett nicht nur eine Energiereserve sondern auch dreimal so isolierend wie anderes Körpergewebe (Guyton, 1991; Davenport, 1992).
Wildpferde wie auch natürlich gehaltene, domestizierte Pferde behalten ihren natürlichen Rhythmus der Gewichtsveränderung im Laufe des Jahres – mit Gewichtszunahmen bis zu 20% im Herbst.
Normalerweise können wir bei domestizierten Pferden mit einer dickeren Fettschicht ein vergleichsweise kürzeres Winterfell registrieren, als es bei Pferden mit geringerer Gewichtszunahme im Herbst zu sehen ist. Es ist außerdem zu beobachten, dass sich das Fett in den kälteren Jahreszeiten gleichmäßiger über den Pferdekörper verteilt und sich nicht an speziellen Körperpartien sammelt, wie es in den wärmeren Monaten zu sehen ist.

Heuaufnahme erzeugt Körperwärme

Eine erhöhte Nahrungszufuhr erhöht gleichzeitig die körpereigene Wärmeproduktion. Vor allem erzeugt die Verdauung von langen Fasern große Wärmemengen.
Deshalb ist es so wichtig, dass jedes domestizierte Pferd uneingeschränkten Zugang zu Heu hat, an 24 Stunden pro Tag, um durch den kontinuierlichen Verdauungsprozess langfaserigen Heus stetig Wärme zu erzeugen. Diese ist auch dann von großer Wichtigkeit, wenn andere Faktoren der Thermoregulation nicht (sofort) greifen, wie z.B. durch plötzlichen Temperaturabfall.
Solch ein erhöhter Bedarf an Futter wird „klimatischer Energiebedarf“ genannt (MacCormak & Bruce, 1991).

Es wurde beobachtet, dass Pferde 0.2 bis 2.5% mehr Energie für die Aufrechterhaltung ihrer Körpertemperatur pro sinkenden 1° Celsius Außentemperatur unterhalb ihrer kritischen, niedrigsten Körpertemperatur benötigen (Young Coote, 1973; McBride et al., 1985; Cymbaluk et al., 1989a; Cymbaluk, 1990).
(Der kritische untere Wert für die Körpertemperatur variiert für verschiedene Pferde/Gruppen von Pferden und hängt von Umweltfaktoren und anderen Thermoregulationsfaktoren zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres ab.)

Nur wenigen Pferdehaltern ist klar, wie gut angepasst Pferde sind, um mit der Kälte umzugehen, wenn ihnen die entsprechenden Lebensumstände gewährt werden.

Lesetipp:
Den gesamten Artikel findest du über diesen Link: Thermoregulation, was ist das?
Quelle: Vet-TCM
Mobile Praxis für ganzheitliche Veterinärheilkunde

Lesetipp 2:
Fit durch den Winter– Gedanken zur Ernährung von Hippovital

Wozu hast du dich entschieden? Eindecken – ja oder nein?
4 Kommentare
  1. Michaela
    Michaela sagte:

    Hallo,
    ich lese gerade deinen Blog quer und finde deine Beiträge sehr schön. Bin auch erst seit 2 Jahren Pferdebesitzer – bin im 4. Stall – haben bisher noch keinen passenden Sattel usw. usw.
    Hatte mir die Pferdehaltung auch nicht ganz so kompliziert vorgestellt :-) Lese und sammel alles was ich so bekommen kann über die Pferdehaltung etc. – Leider kollidiert dies oft mit den Ansichter der ‘tollen’ Pferdehalte mit 30 Jahren Pferdeerfahrung – die sich auch leider überhaupt nicht weiterbilden bzw. verbissen ihre alten Dinge weiterpraktizieren….
    Wir stehen im kleinenOS – bin einigermaßen zufrieden – aber hier gibt es im Sommer kein Heu und jetzt im Oktober gibt es auch ausschl. Weide. Allerdings muß ich sagen, mein Araber würde auch freiwillig z.Zt. kein Heu fressen – solange er noch auf der Weide einen Grashalm findet. Separieren und zus. füttern ist im OS ja eher schlecht….bzw. wegen den anderen Einstellern und der Stallbesi bei nicht möglich :-(
    Zum Thema Decken: Kimi war bei seinen Vorbesitzern im Winter wohl immer eingedeckt. Ich möchte eigentl. nicht eindecken – aber wenn es kalt ist und regnerisch wird er total empfindlich im Rücken und sackt sogar beim putzen schon in die Knie. Daher gibt es bei solchem Wetter bei uns – z.Zt. noch – eine Regendecke. Da er ja auch kein Heu bekommt – kann ich futtertechnisch da auch nichts machen.

    Wie würdest du das handhaben bei einem empfindlichen Pferd? Würde mich sehr interessieren :-)

    VG und schönes WE
    Michaela

    Antworten
    • Let´s go working!
      Let´s go working! sagte:

      Liebe Michaela,
      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Es freut mich sehr, dass dir mein Blog gefällt.
      Also wenn dein Pferd so empfindlich im Rücken ist dann würde ich eindecken! Und wie ja in meinem Beitrag beschrieben ist Heu so wichtig für die Wärmeregulierung. Und da er keins bekommt – was ich echt merkwürdig finde – hat er sicherlich einfach nicht genug Energie, um der Kälte und Nässe zu trotzen. Ich habe an unserem neuen Stall aber auch Araber gesehen, die richtig zittern und schlottern bei dem Wetter (trotz viel Heu) – sie werden natürlich auch eingedeckt, würde ich auch machen.
      Ich denke, wie bei so vielem im Leben kann man nichts pauschalieren und muss von Fall zu Fall entscheiden. Bei diesem gruseligen Wetter zur Zeit verschwende auch ich hin und wieder einen Gedanken daran, Veneroso einzudecken. Doch wenn ich ihn dann sehe und er sich offensichtlich wohl fühlt lasse ich es und bin wieder beruhigt.
      Liebe Grüße und ein schönes WE,
      Claudia

      Antworten
  2. Christina
    Christina sagte:

    Hallo :) Ich bin strikt gegen das Eindecken… Denn einmal eingedeckt muss man sein Pferd immer Eindecken. Mein Araber-Mix (also recht zierlicher Kerl) wurde früher auch immer mit Decke rausgestellt, was natürlich den Fellwachstum behinderte. So hatte er am Körper recht kurzes Fell und am Hals war er sehr wuschlig. Als ich ihn dann übernahm, ließ ich es gleich sein, da er nämlich schon Abschwitzdecken ständig runer riss und Löcher rein machte – also für mich ein deutliches Zeichen, dass er Decken nicht möchte :D Die Winterdecke war fester verschnürt, deswegen brachte er die nicht runter, aber man sah deutlich, dass er sich damit oft gewälzt hatte, da sie immer schmutziger wurde. Als er eben keine Decke mehr hatte, wuchs sein Fell wieder gleich und es wurde wirklich schön dick – also hätte er so oder so nie eine Winterdecke gebraucht! Auch bei meinem Freiberger habe ich nie eine Winterdecke drauf gemacht – gut er gehört zu den robusten Pferderassen… Ich bin jedenfalls der Meinung, dass kein Pferd eine Winterdecke benötigt. Man muss dem Fell ja auch ersteinmal die Möglichkeit geben dicht und lang zu werden… Und dennoch hauen viele gleich bei einstelligen Grad-Zahlen eine Decke drauf… Klar dass dann das Pferd die ganze Zeit über eine Decke braucht…

    Antworten
    • Let´s go working!
      Let´s go working! sagte:

      Hallo Christina, vielen Dank für deinen Kommentar und deine klare Meinung! Ich meine auch: wenn man sich für eine Decke entscheidet, ist es ein ewiges Hin und Her. Mal ist es kalt, dann wieder warm, Decke rauf, Decke runter – das kann ganz schön anstrengend werden, wenn man nicht ständig am Stall ist und niemanden findet, der sich darum kümmert. Ich frage mich auch, wie die Pferde das regulieren können: auf dem Rücken eine Decke, aber der Rest des Körpers ist der Kälte ausgesetzt. Erscheint mir unmöglich für das Pferd, das auszugleichen. Liebe Grüße, Claudia

      Antworten

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